Sonntag, 1. November 2009

Review: Hassan Annouri – International



01. Intro
02. Ich hoffe du weisst mir geht es gut
03. Teufelskreis
04. Wahrheit
feat. Cassandra Steen
05. Revanche feat. Afrob & She-Raw
06. Gutes Mädchen
07. Bring mich bitte heim
08. Tanz für mich
09. Hoffnung
10. Danke Interlude
11. So cool wie ich
12. Alles vergessen
feat. Bouchnak & Valezka
13. Kopf oder Zahl feat. Eko Fresh
14. Traurige Lieder feat. Dean Dawson & Blaze
15. Immer wenn ich...
16. Lizenz
feat. Curse, Dean Dawson, Blaze, Jeyz & R.A.F
17. Wir lieben unseren Glauben
18. Bock auf'n Beat
feat. Sido & Harris

Es scheint wohl im Moment die Zeit der lange angekündigten, aber immer wieder aufgeschobenen Releases zu sein. Denn nach vielen Jahren im Geschäft veröffentlicht nun auch Hassan Annouri, seines Zeichens Teil des Produzenten-Duos "Bock auf'n Beat", endlich sein Debütalbum "International". Wem weder Hassan, noch "Bock auf'n Beat" ein Begriff sein sollte: Der Frankfurter Produzent, Rapper und Sänger hat in den letzten Jahren nicht nur für Nico Suave, Olli Banjo oder Joy Denalane musikalische Ergüsse auf die Platten gebracht, sondern hatte auch für Größen wie Fatman Scoop, Dr. Dre und Xzibit per Remixerei die Finger im Spiel. Doch der Wunsch, selbst für jedes Lied vom ersten Klaviertastendruck über das Schreiben der Lyrics bis hin zum Einrappen verantwortlich zu sein, ist – so er selbst über die Entstehung des Albums – mit der Zeit immer stärker geworden. Und nun, nach längerer Zeit des Werkelns, veröffentlichte er das Album "International" mit mächtig Verstärkung im Gepäck.

International also. Wer jetzt auf ein Album mit Sprachenvielfalt von Indonesisch bis Swahili hofft, wird leider enttäuscht werden. Denn internationale Künstler sind hier fast keine vertreten. Vielmehr sieht Hassan Annouri sich selbst als "international", was zum Teil an seiner marokkanischen Herkunft, seiner Verbundenheit zu den Problemvierteln Frankfurts, aber auch an seiner musikalischen Umtriebigkeit in den letzten Jahren liegen dürfte. Und das merkt man der Platte auch sofort an. Produktionstechnisch bekommt der Hörer hier einiges geboten. Hassan reduziert seine Künste nicht auf billige Synthieklänge, sondern macht Musik mit Hand und Fuß. Da werden hier und da mal Klavier und Bass selbst eingespielt, man hört am Ende eines Liedes ein Solo und von groovigen Drumsequenzen muss man bei Percussion-Wunder Annouri sowieso ausgehen. Insgesamt bewegt sich das Album, was Musikalität angeht, weit über dem HipHop-Durchschnitt, der zur Zeit so durch die Boxen schleicht. Kombiniert wird dieser musikalische Grundriss mit der passenden Stimme Hassans, die – auch wenn es widersprüchlich klingt – rough, aber trotzdem irgendwie smooth wirkt. Thematisch erzählt er Geschichten aus seiner oder der Vergangenheit Anderer, nutzt aber auch die Gelegenheit, das ein oder andere Mädchen zum Tanzen aufzufordern. Textlich ist das weder peinlich, noch mitreißend, weder gezwungen noch poetisch.

"Ich bin der Drogendealer, ich hab' braune Haut und schwarze Haare/
Ich bin schlecht für deine Tochter, weil ich gern 'nen Bart trage/
Dabei schreib' ich nur Verse und setz' dazu 'n paar Noten/
Ich bring' die Liebe wieder zurück und schick' den Hass zu euch Idioten/
"

Auf dem Song "Wahrheit" mit Cassandra Steen spricht der Marokkaner das aus, was ihm schon lange auf der Zunge liegt: die Wahrheit. So geht es um seine eigenen Gefühle und Ängste, in der zweiten Strophe rechnet er mit den von ihm erlebten Vorurteilen gegen ihn und andere Ausländer ab. Wie man merkt, geht es hier oft persönlich zu, was zum Teil interessant, aber auch leider immer wieder belanglos, da schon viel zu oft gehört, ist. Mittlerweile scheint die Tatsache, dass (nicht nur) ausländisch-stämmige Deutsche in den Brennpunkten von Großstädten eine schwere Jugend voller Probleme und Vorurteile haben, auch bei Klaas aus Nordfriesland angekommen zu sein. Deswegen passiert hier thematisch nicht viel Neues. Ähnliche Einflüsse hat auch der Song "Gutes Mädchen", in dem Hassan – dieses Mal in Form von Storytelling – über ein Mädchen erzählt, das aufgrund eines schlechten Umfelds und dem Mangel an Selbstachtung abstürzt:

"Sie würde gerne ein neues Leben starten/
Sie würde gerne Kinder, ein Haus und 'n guten Mann haben/
Sie würde gerne zurück zu ihren Eltern geh'n/
Doch weiß genau, dass ihre Eltern sie nicht gerne seh'n/
"

Die in der Einleitung dieser Review schon erwähnte Umtriebigkeit Hassans in der Musikszene ist nicht nur der Vielfalt der Hintergrundklänge anzumerken. So ließen sich viele der Künstler, die von ihm zuvor schon produziert wurden, nicht zweimal bitten und steuerten Strophen und Refrains bei, was dem Album natürlich eine gewisse Vielfältigkeit verleiht. Aber das musikalische Gesamtbild, das durch den Einklang zwischen der Musik und der Stimme Hassans vermittelt wird, wird so durch viele unterschiedliche Rap-Parts anderer Künstler gestört. Man könnte sogar so weit gehen, zu behaupten, dass sie das Werk stellenweise zu einem simplen Kollaboalbum abwerten – ein Titel, den es auf keinen Fall verdient hat. Die gesungenen Refrains passen sich dem musikalischen Kontext zwar gut an, wirken aber auf mich zum Teil etwas gezwungen, als wären da zehn Stimmen in verschiedenen Tonlagen eingesungen worden, um extrem viel Spannung und Dirtyness einzubringen. Doch weg vom Gesang: Vor allem Raptechnik-Fanatiker werden einen Bogen um die Künste Hassans machen. Denn den Luxus, in den Genuss von Doppelreimen, Flowabfahrten oder gar rhetorischer Gewandtheit zu kommen, kann ich hier – Hand aufs Herz – niemandem versprechen.

Fazit:
Hassan Annouri liefert mit "International" ein einwandfrei produziertes Debütalbum ab, welches vor allem durch Vielfalt und Musikalität beeindrucken kann. In Sachen Raptechnik und Thematik ist er zwar nicht unbedingt auf dem progressivsten Kurs, letztendlich schadet es dem Gesamtbild aber nicht wirklich. Ob die hohe Zahl der Featuregäste störend, wichtig, oder gar notwendig ist, bleibt dem Hörer selbst überlassen. Gutes Debütalbum, das hohe Erwartungen an einen Nachfolger mit sich bringt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen