Montag, 23. November 2009

Mädness – Zuckerbrot & Peitsche



01. Zuckerbrot & Peitsche
02. Querfeldein
03. Kein Kompromiss
feat. Olli Banjo
04. Cool
05. Schöne Menschen
feat. Morlockk Dilemma
06. Wer ist der Beste?
07. Damals ist vorbei
08. Solche Rapper
feat. Kool Savas
09. Guck dich an
10. Bin ich schon drin?
11. Sucht
12. Unterschätzt
feat. Patrick mit Absicht
13. Warteschleife
14. Schurz
15. Meine Party
feat. Baggefudda & El Ray
16. Hip Hop
17. Gude (Liveversion)


Mädness, der ab und zu mal gerne mit zwei Jungs an der Tankstelle rumhängt und außerdem ein echtes Unikat ist, beruft sich jetzt auf seine Authorität. Schluss mit lustig, Wischiwaschi-Lotterleben, "Gude" und so, jetzt werden "Zuckerbrot & Peitsche" ausgepackt. Wird Deutschrap nun endlich erzogen? Eine gewisse freie Enzyklopädie spuckt zu diesem Thema nämlich hauptsächlich Dinge aus wie: "Die Zuckerbrot-und-Peitsche-Methode besteht nun darin, gezielt sowohl positive Gefühle (z.B. durch Lob) bei gewünschtem Verhalten als auch negative Gefühle (Tadel) bei unerwünschtem Verhalten auszulösen." Das passt irgendwie, denn nach über zehn Jahren Umtriebigkeit auf Freestylebattles, Jams und (vermehrt in den letzten Jahren) natürlich auch im Studio, hat Mädness eigentlich so einiges zu sagen. Vor allem den Respekt von szeneinternen Kollegen und eingefleischten HipHop-Heads hat er schon länger. Nachdem er aber lange Zeit trotzdem noch weitgehend unter der Oberfläche blieb, erreichte er mit dem Release von "Unikat" 2007 erstmals auch weitreichenderes Aufsehen, auf das sich nun mit seinem zweiten Soloalbum aufbauen lässt. Laut eigener Aussage wesentlich flüssiger und um einiges härter als auf seinem Debüt.

Härter stimmt. Wenn auch schon der Vorgänger sehr in Richtung elektronische Musik ging, ließ vor allem die Onlinetrack-Zusammenstellung "Als hätt' ich nix getan" durchscheinen, wie es hier künftig weiterzugehen hat. Nämlich nochmal um einiges experimenteller. Auf Brettern von
Kollege Schnürschuh, Dirty Dasmo,Stützpunkt.643 und Rocko wird geglitcht, geswitcht und gekitscht, was das Zeug hält. Das tut der Qualität keinen Abbruch, denn stumpfe Raps auf Electrobeats kann man von Mädness, der ab und an gerne mal einen Rucksack sportet, wahrscheinlich als Letztes erwarten. Denn der vereint eigentlich ziemlich viel von dem, was man so braucht, um ein erfolgreicher und angesehener Rap-Künstler zu sein. Und das alles auf seine eigene Art. So wird der lockere hessische Akzent mit Wortwitz, aber auch zum Teil mit sinnfreien und gerade deswegen genialen Themen kombiniert, ohne dass die nötige Prise Ernsthaftigkeit auf der Strecke bleibt. Und auch an seinen Rapskills hat Mädness gefeilt. Wo er schon auf seinem Debütalbum mit ausgefallenen Flows und Switches überzeugen konnte, schindet er nun noch mehr Eindruck mit progressiveren, schnelleren Parts, ohne textlich in schwachsinnige Phrasendrescherei abzudriften. Der selbsternannte "Gude" beweist auf seinem Album aufs Neue, dass er – und ich lehne mich hier bewusst weit aus dem Fenster – einer der ganz wenigen in Deutschland ist, die es zustande bringen, einen Flowwechsel nach dem anderen hinzulegen, ohne dabei bewusst oder unbewusst Kool Savas zu imitieren.

"
Verstehste? Das sind ganz andere Kreise/
Hier scheißt man noch Blumen und sagt Lounge zu 'ner Kneipe/
Und genau dieser Unterschied macht es entscheidend/
Und filtert den Dreck von den Schönen und Reichen/
"

Auf "
Schöne Menschen" führt Mädness die Erzählart, die er auch schon früher benutzt hat, fort und rappt ironisch über Snobs, Wichtigtuer und Schnösel. Unterstützt wird er dabei von Morlockk Dilemma. Auch sonst hat der Rapper so einige Spezialgäste im Rucksack: Sowohl Olli Banjo, Kool Savas, Patrick mit Absicht als auch Baggefudda und El Ray steuern jeder auf seine Art ihren Teil zum Gesamtwerk bei.

Wenn man dieses Album nun nochmal mit seinem Vorgänger "Unikat" vergleicht, fallen neben den schnelleren Rapparts vor allem auch thematisch ein paar Veränderungen auf. Wo
Mädness auf seinem Debütalbum ab und an noch etwas tiefer in seine Gedankengänge und Privatsphäre blicken lässt (auf einer Abrechnung mit seiner Ex zum Beispiel), finden sich auf "Zuckerbrot & Peitsche" fast nur noch Representing-Songs über HipHop und Realkeeping plus natürlich eine ordentliche Portion "Dummgebabbel". Aber auch völlig behämmerte Songs ("Konterschoppe") sind diesmal nicht vertreten. Obwohl:

"
Frauen sind auch viel schlimmer als Männer, weiß sie/
Weil die beim Geschäft oft gerne vorbeiziel'n/
Damenhaft erträgt sie die Last/
Sie kneift beide Backen zusammen, damit's klappt/
"

Nichts für zarte Gemüter ist "
Schurz". Mädness erzählt die Geschichte eines Dates mit... unkonventionellem Ende aus zwei Sichten: seiner und ihrer. Auch "Guck dich an" ist ein Song, der auf jeden Fall Beachtung finden sollte. Wetten, dass es sich hierbei um einen offenen Brief an einen TV-Moderator handelt?
Letztendlich könnte ich noch über einige Songs mehr schreiben, da sie sich entweder durch witzige Thematik oder versierte Technik auszeichnen. An einer Stelle hapert es aber fast immer: Wo sind die eingängigen Hooks? Auch schon beim letzten Album war mein Hauptkritikpunkt, dass sich auf den Songs so gut wie nie ein Refrain finden ließ, der gut ins Ohr ging. Ich will jetzt nicht mit Autotune-Gekrächze anfangen, aber ich vermisse hier die richtig gut gerappten Hooklines.

Fazit:
Auf Wikipedia stand zum Thema "
Zuckerbrot & Peitsche" zwar auch noch: "Wie bei der Pferdedressur stellt die Peitsche also zumeist eine Drohung dar, die nur selten tatsächlich eingesetzt wird." Meine Angst, dass es sich hier nur um eine lasche Fortsetzung eines unerwartet und zu Recht gefeierten Erstlingswerks handelt, war aber zum Glück unbegründet. Der Nachfolger besticht durch noch ausgefeiltere, nahezu perfekte Raptechnik und den gewohnten Wortwitz. Trotzdem kann das Werk durch die fehlenden herausstechenden Songs (vor allem wegen der Hooks) teilweise etwas einseitig wirken. Schafft es für mich aufgrund dieser Kritikpunkte nicht ganz zum "Unikat".

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