Donnerstag, 21. Mai 2009

unknown Kings: Mai 2009

Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf MySpace oder Massenmails im Instantmessenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: "Hey, ich habe mein Album (Mixtape, Streettape, Streetalbum, Streetmixtape, Tapemixstreet, Albumtapemix... diese Liste lässt sich beliebig fortführen) fertig gestellt. Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab".
Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre, wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Internet in Deutschland rumgeistern, ist das nahezu unmöglich.
Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem - da kann er ja (meistens) nichts falsch machen – während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen.

Mit dieser Rubrik habe ich mir das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die meiner Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypeter Internetgrößen anzutreffen sein, noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen.
Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.



Olson Rough - Rude Boy



Eigentlich weiß man schon nach ein, zwei Tracks, um was es sich bei den Texten von Olson Rough dreht: Er war einmal ein böser Bube, der böse Dinge gemacht hat und einen Haufen starker, harter Freunde als schlechten Einfluss hatte. Und auch, wenn solche Thematik und Streetcredibility-Fußpilz bei mir mittlerweile ähnliche Wirkung hervorrufen wie heißes Bier (starke Müdigkeit, lautes Schnarchen und dann aufwachen und sich darüber aufregen, dass es einem nicht wie versprochen besser, sondern jetzt noch schlechter geht), bringt es der "Rude Boy" irgendwie sympathisch, aber vor allem authentisch rüber. Mal auf sanfte Beats mit Vocalsamples, mal etwas treibender, erzählt er hauptsächlich Geschichten über seine Jugend, wie er abrutschte, sitzenblieb, Kontakt zu Drogen bekam, aber sich jetzt doch wieder gefangen hat – und ist so das musikalisch-intelligente Pendant zum dumpfen "Isch stesch disch ab"-Rap. Vor allem reimtechnisch bewegt er sich auf sehr hohem Level, ich wundere mich beim Hören immer wieder darüber, wie er doch so viele mehrsilbige Reime, die dennoch perfekt zur Story passen, in einen Song packen kann. Gutes Album. Und nicht zu vergessen natürlich das geniale "Fremd geworden".

http://www.myspace.com/olsonrough - kostenloser Download


JuseJu - YO! Hip Hop hat mein Leben zerstört



JuseJu lebt für die Bühne. Er hat in den letzten Jahren viele Liveerfahrungen gesammelt und unter anderem mehrere Freestylebattles gewonnen, so dass sich diverse vor Selbstwertgefühl nur so strotzende Internethustler schon das ein oder andere Scheibchen (no Beef) von ihm abschneiden können.
Meistens läuft das ja so ab: Man hört einen Künstler live, findet ihn total geil und entertainend, holt sich die Platte und ist zu Hause übertrieben enttäuscht, weil die recordeten Tracks vor allem style- und powertechnisch einfach nicht an die gute Performance rankommen. Bei JuseJu nicht. Er ist vom Rapstil her zwar eindeutig in die Münchener Ecke einzuordnen ("Öööööh, Blumentopf!" hört er aber anscheinend überhaupt nicht gerne), doch macht sein eigenes Ding, ist technisch versiert und vor allem textlich sehr locker und witzig, greift Themen, die von anderen Rappern eher ernst gemeint sind, auf und verpackt sie ironisch. Auch Tracks mit Message bringt er gut und glaubhaft rüber (Hallo, ich bin eine abgedroschene Phrase). Nur was mit dem Track "Mädchen vom Gymi" so richtig gemeint ist, verstehe ich nicht. Vielleicht, weil ich keins bin.

http://www.myspace.com/juseju - zu kaufen


Harry - Zeitgeist



Normalerweise tu ich mir ja Alben nicht an, die im Intro schon mit einem herzzerreißenden Seufzer beginnen. Ist ja irgendwie wie bei Filmen ohne Happy End, man ist danach noch schlechter drauf als vorher. Normalerweise überzeugt mich ein Album aber auch nicht schon im Intro ("Die Zeit ist jetzt") so sehr, dass ich immer wieder zurückskippe, um die erste Strophe nochmal und nochmal zu hören, so dass ich nur sehr langsam bin im Durchhören des Gesamtwerks. Harry macht nachdenkliche Songs, ist nach eigener Aussage immer real geblieben und beschäftigt sich nicht mit Genitaliavergleichsthematik. Und das braucht er auch gar nicht, denn er ist flowlich sehr sicher, textlich zum Nachdenken anregend (sowohl durch sehr persönliche Texte, als auch erzählte Geschichten) und hat irgendetwas Unbeschreibliches in der Stimme, das ihn einzigartig macht und mich irgendwie turnt (Ist es hier angebracht? Ja: No homo). Auch die musikalische Untermalung von Joshimixu, Nekst86, Exact und Dinjo passt da wie das Knie in die Leistengegend.

http://www.myspace.com/harry2006music - kostenloser Download


Du kennst jemanden (oder bist gar selbst der Meinung, dass du jemand bist), der dem Titel "unknown King" gerecht werden kann? Diese Person hat erst vor kurzem einen Tonträger oder Freedownload veröffentlicht, der eine Erwähnung in diesem Artikel wert ist? Schick eine Bewerbung mit dem Betreff "unknown Kings - *Künstlername*" an jan@rappers.in.
Bitte beachtet aber, dass ich nicht auf jede Anfrage persönlich antworten kann, ihr werdet sehen, ob das Release dann letztendlich seinen Platz in dieser Sammlung findet. Viel Erfolg!

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