Montag, 4. Mai 2009

unknown Kings: April 2009

Wer kennt sie nicht? Die Werbung, mit der gefühlte 13 Millionen Amateurrapper in Form von Privatnachrichten in hiesigen Internetforen, Profilkommentaren auf MySpace oder Massenmails im Instantmessenger täglich unschuldige Konsumenten befeuern: „Hey, ich habe mein Album (Mixtape, Streettape, Streetalbum, Streetmixtape, Tapemixstreet, Albumtapemix…diese Liste lässt sich beliebig fortführen) fertig gestellt. Es ist vielseitig, individuell und hebt sich von allen anderen ab“.
Es wäre schön, wenn jedes Release qualitativ so hochwertig wäre wie angekündigt, aber bei der Masse an Rappern, die seit Internet in Deutschland rumgeistern ist das nahezu unmöglich.
Die Folge: Der enttäuschte Raphörer bleibt bei Altbewährtem - da kann er ja (meistens) nichts falsch machen - während viele Releases, die bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen, in der Masse untergehen.

Mit dieser neuen Rubrik habe ich mir das Ziel gesetzt, Releases an die Öffentlichkeit zu bringen, die meiner Meinung nach (!) mehr Aufmerksamkeit verdienen. Hier werden weder die Releases überhypeter Internetgrößen anzutreffen sein, noch Marketingspezialisten, die nach ihrem zweiten geschriebenen Text schon ein eigenes Label, eine Webseite mitsamt Promoteam und ein von Papi im Hinterhof gefilmtes Musikvideo besitzen.
Es geht ausschließlich um die Qualität der Musik, um das Produkt.



2Bough - Private



Der französisch stämmige 2Bough geistert jetzt schon seit einigen Jahren durch die Rapszene, vor allem im RBA-Umfeld, aber auch hier auf rappers.in (wo er schon des Öfteren in der Top5 anzutreffen war) ist er sowohl als Rapper, aber auch als Producer schon länger ein Begriff. Was er mit seinem Download-Album in Überlänge (27 Songs inklusive Bonus-Beats!) vermitteln will, sagt er schon im Intro („Der Anfang vom Ende“): Rap mit Herz, abseits von Klischees („Ich will was Neues bring’, was Ehrlichkeit und Liebe zeigt“, „trag keine Baggys, die Zeit ist schon lang vorbei“). Und so geht es auch größtenteils auf den Songs (die übrigens bis auf wenige Ausnahmen von ihm selbst produziert sind) zu: Ob für eine verflossene Liebe oder seinen verstorbenen Bruder, 2Bough verarbeitet mit seinen Texten persönliche Erfahrungen, verzichtet bewusst auf Ghettoattitüden und greift wie zum Beispiel auf „Pop“ mit Autotune-Übertreibungshook und distanzierendem Text provokant auf „Szene-No-Go“s zurück. Rap- und produktionstechnisch bewegt er sich dabei auf festem Grund, auch wenn man auf diesem Release keine variablen Stimmeinsätze, hier-wächst-kein-Gras-mehr-Punchlines oder zig Flowwechsel erwarten sollte. Auch die von ihm produzierten Beats sind in sich stimmig, passen zur Vortragsweise, erfinden das Rad aber bei weitem nicht neu, der Hörer wird nicht überrascht. Solides Werk, was vor allem in schlechteren Zeiten sicherlich mal wieder seinen Weg in meinen CD-Player finden wird.

http://www.myspace.com/2bough - kostenloser Download


Meni und Deve - Was Größeres



Seit zehn Jahren sind sie nun schon dabei. Die Stuttgarter Meni und Deve, die seit 1999 aktiv Rapmusik betreiben - erst jeder für sich selbst, dann ab 2003 zusammen - sind nun Mitte Zwanzig und machen nach wie vor ihr Ding. Ihr Ding im Sinne von konventionellem Rap. Rap, der vielleicht für Jungspunde unter den Hörern sofort in die Schublade „Blumentopf“ gesteckt wird (was natürlich keinesfalls negativ gesehen werden muss!). Aufsehen konnten sie kürzlich mit ihrer „Stuttgart Hymne“ erregen, als sie im Januar Wochensieger beim „MTV Rookie Contest“ wurden. Doch nun planen sie „Was Größeres“: Wie schon vor dem ersten Anspielen des Albums zu erwarten, geht es hier insgesamt traditioneller zu: Beats auf Samplebasis, oft mit Trompetensounds garniert, das Drumset steht im Vordergrund; locker gerappte Parts, unterhaltsames Storytelling; zusammen gerappte Hooks, wenn Gesang, dann nur im Ansatz und mit der Melodie des Instrumentals. Man merkt den beiden den Spaß an der Musik an, kann sich bei den erzählten Geschichten (z.B. „In den Urlaub mit den Jungs“) den ein oder anderen Grinser nicht verkneifen, wenn man sich versucht vorzustellen, wie sich eine Gruppe feierwütiger Mittzwanziger mit einer Überzahl Rentner in die Haare bekommt (Anspieltipp!). Vielleicht nicht für Hörer der neusten, trendigsten Charthits auf der Höhe der Zeit geeignet, aber definitiv auch nicht nur für alte Hasen, die sich gerne mal wieder ihren Rucksack aus dem Schrank holen und zu dieser Musik in nostalgischen Erinnerungen schwelgen.


http://www.myspace.com/meniunddeve - zu kaufen


257ers - Hokus Pokus



Ja ja, die 257ers, sind ja im Moment ziemlich akktuell. Gepusht von Artgenossen wie Favorite, Jason oder Hollywood Hank reiht sich das Dreigespann irgendwo zwischen KIZ, den Orsons und den üblichen Pottverdächtigen ein. Was dabei heraus kommt, kann man sich jetzt irgendwie vorstellen, aber auch irgendwie nicht: Viel Schwachsinn, Spaß an der Sache, Lobpreisung von Tabakkwaren und diversen Halluzinogenen - wer tiefgehende Lyrik und Herzschmerz-Trauer-Rap sucht, ist hier fehl am Platz. Und so ist das Endprodukt zwar noch lange kein musikalischer Meilenstein, aber dennoch erfrischend. Denn die Jungs wissen wahrscheinlich nichts mit Akkorden oder Harmonien anzufangen, doch liefern mit diesem „Hokus Pokus“ ein vor allem live viel versprechendes Album ab. „Ein Album zum Mitsingen“ passt da ziemlich gut.

http://www.257ers.de - kostenloser Download



Du kennst jemanden (oder bist gar selbst der Meinung, dass du jemand bist), der dem Titel "unknown King" gerecht werden kann? Diese Person hat erst vor kurzem einen Tonträger oder Freedownload veröffentlicht, der eine Erwähnung in diesem Artikel wert ist? Schick eine Bewerbung mit dem Betreff "unknown Kings - *Künstlername*" an jan@rappers.in.
Bitte beachtet aber, dass ich nicht auf jede Anfrage persönlich antworten kann, ihr werdet sehen, ob das Release dann letztendlich seinen Platz in dieser Sammlung findet. Viel Erfolg!

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